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Telefonate bei Nacht und wie schnell ein Verein wachsen kann

Katja und Marcus

Beide haben sofort reagiert, als der Krieg begann. Unabhängig voneinander, mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Marcus gründet eine private Initiative, nach 48 Stunden schon 100 Teilnehmer*innen groß. Bald wird die Initiative zum Verein „be-Ukraine“. Katja ruft währenddessen zu Sachspenden innerhalb der Bonitas Pflegegruppe auf.

In der Mitte finden sie zusammen, privates Engagement kombiniert mit beruflichem Know-how und den Ressourcen der Bonitas Pflegegruppe.

Mittlerweile arbeiten die zwei Bereichsleitungen nämlich gemeinsam in Sachen Ukraine-Hilfe, jeden Tag, wenn nötig bis spät in die Nacht. Und das kommt ganz schön häufig vor. „Siehst du schon unsere Augenränder?“, lacht Katja. Wobei das wohl gar kein Scherz sein sollte.

Die Telefonate bei Nacht ziehen sich durch ihr Engagement wie ein roter Faden. Genau so hat die Zusammenarbeit von Katja und Marcus auch angefangen. Mit einem sehr langen Brainstorming-Telefonat – eben bis spät in die Nacht.

Learning by Doing ist hier die Devise. Was als mehr oder weniger unstrukturierte Ad-hoc-Hilfe begann, wird jetzt immer systematischer. „Du kannst nicht einfach einen 40-Tonner in die Ukraine schicken. Das ist ein potentielles Angriffsziel“, erklärt Marcus. Er ist an die ukrainische Grenze gefahren, um zu verstehen, wie dort gearbeitet wird – und die Arbeit des Vereins darauf abzustimmen und Prozesse zu optimieren, damit auch die Helfer*innen an der ukrainischen Grenze davon profitieren. Bei seinem Einsatz hat Marcus viel gelernt. „Korruption und Menschenhandel sind dort an der Tagesordnung“, berichtet er. Menschen werden um ihr Erspartes gebracht im Glauben, sie würden das Land verlassen können. Als Marcus an der Grenze war, hat er dann auch gleich gehandelt und eine Mutter mit ihrem Kind mit nach Deutschland genommen.

Mit jedem Tag wächst die Erfahrung. Sie bedeutet aber auch, das Leid anderer auszuhalten oder an bürokratische Grenzen zu stoßen.

 

Der Verein finanziert sich ausschließlich über Sach- und Geld-Spenden. „Wir haben nur 2 % Buchhaltungskosten, der Rest geht direkt in die Hilfe“, so das Team. „Wir haben schon Waren im Wert von Millionen verschickt. Unser Kontostand liegt derzeit bei 100.000 €.“ Eine Vielzahl an Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen spendet. Zum Beispiel hat eine Apotheke Medikamente im Wert von 1.000 € gestiftet. Eine Arztpraxis hat ihr komplettes Inventar abgegeben und sich dann neu eingerichtet. In Nussdorf am Inn wurde ein Altenheim aufgelöst. Der Verein organisiert jetzt die Versendung des Equipments.

 

Was macht „be-Ukraine“ mit all dem Material und Geld?

Der Fokus liegt klar auf medizinischem Material. Beim beruflichen Hintergrund der zwei liegt das nahe. Aber auch alles andere wird gesammelt, bis zur Hundekiste. Zwei Lagerhallen für Hilfsgüter hat der Verein zur Verfügung und 70 Tonnen Hilfsmaterialien wurden bereits an die ukrainische Grenze gefahren, nach Waldenburg in Polen, von wo sie weiter in die Ukraine gehen. Marcus Familie kommt aus der Gegend, ein Netzwerk war von Anfang an vorhanden.

Schnell wurde Katja und Marcus aber klar, dass das nicht alles sein soll. Deshalb gibt es innerhalb des Vereins jetzt neben vielen anderen Sektionen die Abteilung „Patientenrettung“, der Katja vorsteht.

Sie hilft dort, wo andere es nicht können. Anfragen von leicht Erkrankten werden an passende Stellen weitergeleitet. Denn der Fokus muss auf Intensiv- und Schwerstpflegebedürftigen liegen. „Wer laufen kann, der geht zur Grenze und wird dort versorgt. Die Abteilung hat sich auf solche Menschen spezialisiert, die das nicht können“, so Katja.

Zum einen finanziert „be-Ukraine“ Medikamenten-Transporte in die Kriegsgebiete. Zum anderen werden Pflegebedürftige – vor allem Intensiv- uns Schwerstpflegebedürftige – nach Deutschland geholt. Die Rettung geschieht über die Bonitas Pflegegruppe hinaus mit der gesamten DEUTSCHENFACHPFLEGE. Denn deutschlandweit sind Pflege-WGs vorhanden, für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Die Hilfe geht so weit, dass Klient*innen ohne Kostenzusage übernommen werden. Bis zur Registrierung werden die anfallenden Kosten nicht in Rechnung gestellt. Die medizinischen Kosten und die Erstausstattung übernimmt der Verein. Außerdem kümmert er sich um die Antragsstellung zur Duldung nach § 28a oder die Nachbetreuung ab Deutschlandeinreise. „Die Leute können es erst nicht fassen und glauben anfangs gar nicht, dass wir sie aus dem Kriegsgebiet holen“, berichtet Katja. Sie haben viele Wochen versucht, telefonisch mit irgendwem in Kontakt zu treten, bis sie irgendwann bei Katja landen. Meist nachts, denn die Handynetze sind dort überlastet. Familien lassen ihre pflegebedürftigen Angehörigen natürlich nicht alleine in der Ukraine – und bleiben deshalb mit ihnen im Land. Vor allem für Intensiv- und Schwerstpflegebedürftige gibt es dort keine Versorgungsstrukturen, wie wir sie in Deutschland haben. Die Menschen werden zuhause gepflegt, haben häufig nicht mal einen Rollstuhl. Entsprechend gestalten sich dann auch die Transporte nach Deutschland. Katja: „Die meisten Transporte sind privat organisiert, weil für große Organisationen damit ein riesiger bürokratischer Aufwand verbunden ist und dadurch nicht schnell genug agiert werden kann.“ Privat bedeutet: Bulli mit Matratze für den Liegend-Transport. Und ja, nicht immer geht alles gut. „Durch Angriffe haben wir auch schon Menschen während des Transportes oder kurz vor Abfahrt verloren.“

Wenn die Menschen hier angekommen sind, hat der Verein Bonitas-Unterstützung. Die Handwerker und Facility-Abteilung der Pflegegruppe kümmern sich dann z. B. um die Erstausstattung. Der Verein hat außerdem einen eigenen kleinen Second-Hand-Laden, in dem sich Geflüchtete kostenlos mit Kleidung versorgen können.

 

„Die Spendenbereitschaft und allgemeine Aufmerksamkeit geht langsam deutlich zurück“, bemerken Katja und Marcus. Umso wichtiger am Ball zu bleiben, auch wenn es kräftezehrend ist – nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Katja stehen bei unserem Gespräch mehrmals die Tränen in den Augen. Bei all der Organisation und Koordination hinterlässt das Menschliche doch immer wieder den bleibendsten Eindruck.

 

Wer mehr über den Verein und seine Arbeit erfahren möchte, kann sich hier näher informieren:

 

https://www.be-ukraine.de/

https://youtu.be/DC8THiw5HVc